Bruno entdeckt die Welt auf seine ganz eigene Weise. Mit seiner Familie lebt er in Salzhausen und hat stets ein Lächeln auf den Lippen.

Hallo, mein Name ist Bruno und ich bin 4 Jahre alt. Ich habe eine wunderbare Familie, die mich von Anfang an liebt und unterstützt. Meine Mama heißt Christiane, sie ist 37 Jahre alt und gelernte Ergotherapeutin. Mein Papa, Fabian, ist 41 Jahre alt. Sie haben sich 2006 in Hannover kennengelernt und sind dann zusammen nach Hamburg gezogen, weil meine Mama von dort kommt. Als es dann an die Familienplanung ging, hatten sie das Glück, ein Haus in Salzhausen zu finden, wo wir jetzt leben. Ich habe zwei ältere Brüder: Frido, der 9 Jahre alt ist, und Mika, der 7 Jahre alt ist. Dann gibt es noch Lunis, der mit seinen 2 Jahren der Jüngste in der Familie ist.

Mama ist eine sehr offene, herzliche und entschlossene Frau. Sie hat immer gesagt, dass sie ihre Kinder so liebt, wie sie sind, und deshalb hat sie sich bei keiner ihrer Schwangerschaften für Voruntersuchungen entschieden. Sie wollte ihre Kinder nicht mit Diagnosen oder möglichen Ängsten belasten, sondern darauf vertrauen, dass alles so kommt, wie es soll. Diese Haltung hat ihr Leben sehr geprägt. Sie sagt immer, dass es für sie der richtige Weg war, sich auf ihr Bauchgefühl zu verlassen. Während meiner Schwangerschaft gab es keinerlei auffällige Tests oder Diagnosen. Mama wusste nicht, dass ich das Down-Syndrom haben würde – und als ich dann zur Welt kam, war sie zunächst überrascht. Doch tief in ihrem Herzen hatte sie schon während der Schwangerschaft das Gefühl, dass irgendetwas anders sein würde.

Die Geburt von mir an sich hat meine Mama als einfachste und unkomplizierteste von all ihren Geburten empfunden. Für sie war es auch kein Problem, dass mein Papa nicht dabei war, da er auf meine Brüder aufgepasst hat. Als sie mich in ihren Armen hielt, wusste sie sofort, dass etwas anders war.

Was ihr dann aber wirklich am meisten zu schaffen machte, waren die Reaktionen des Fachpersonals im Krankenhaus. Das war für meine Mama eine große Belastung. Dazu kam, dass auch gerade Corona war. Mama erinnert sich noch ganz genau an die ersten Momente nach meiner Geburt. Die Hebamme war die erste, die den Verdacht äußerte, dass ich das Down-Syndrom haben könnte. Es war jedoch etwas, was sie nicht hätte sagen dürfen, weil nur der Kinderarzt so einen Verdacht offiziell äußern darf. Trotzdem war Mama ihr dankbar, dass sie es ansprach, da sie ihr das Gefühl gab, dass man ganz offen und natürlich über das Down-Syndrom bei mir sprechen konnte. Doch dann kamen nacheinander die beiden Gynäkologinnen, die mich begutachteten und einfach wieder aus dem Raum gingen mit mitleidigen Gesichtern, ohne ein Wort zu sagen. Diese plötzliche, undurchsichtige Reaktion verstärkte bei Mama das Gefühl, dass etwas verschwiegen wurde und man sich offensichtlich nicht wirklich über meine Geburt freuen konnte. 

Aber heute, wenn sie zurückblickt, versteht sie es besser. Sie weiß, dass es Unsicherheit war und dass viele Menschen in solchen Situationen nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Es war eine unglaublich schwierige Zeit für Mama. Besonders die Wochen nach meiner Geburt, als wir die ersten Besuche beim Kinderarzt machten und dort, wie sie es nennt, „hinter dem Rücken getuschelt wurde“. Mama bekam das Gefühl, dass einige andere dachten, sie hätte „ein Monster“ zur Welt gebracht und viele gratulierten nicht zu meiner Geburt, sondern begegneten uns mit einer Mischung aus Mitleid und Unverständnis. Dabei freuten sich Mama, Papa und meine Brüder doch so über mich. Aber sie ließ sich nicht davon entmutigen. Sie sagte, sie habe irgendwann verstanden, dass die Unsicherheit und die Angst der anderen Menschen nichts mit mir selbst zu tun hatte, sondern dass die Menschen einfach mehr aufeinander achten, toleranter und wertschätzender im Umgang miteinander sein sollten.

Mit der Zeit hat meine Mama sich immer mehr mit meiner Diagnose arrangiert und die Themen rund um das Down-Syndrom akzeptiert. Als ich ein Jahr alt wurde, sagte sie mir, dass sie viel nachgedacht hätte und nun wüsste, was sie damals gerne anders gemacht hätte. Doch dass sie nun den Frieden mit sich und vor allem mit den Reaktionen der anderen gefunden hatte.  Heute ist sie stolz darauf, wie offen sie über meine Diagnose spricht, sowohl im privaten Umfeld als auch in der Öffentlichkeit. Sie erklärt immer wieder, dass es nicht darum geht, was ich nicht kann, sondern was ich kann. 

In unserer kleinen Gemeinde in Salzhausen kennt man mich mittlerweile gut, und ich merke, dass sich das Bild, das die Menschen von uns haben, verändert hat. Die ersten Monate waren für uns alle schwer, weil viele von den anderen eher zurückhaltend waren. Aber heute hat Mama keine Hemmungen mehr, auf Menschen zuzugehen, sie mit einem Lächeln zu begrüßen und ins Gespräch zu kommen. Sie hat gelernt, dass es wichtig ist, als Familie ein starkes Team zu bilden, das sich gegenseitig unterstützt. Sie sagt immer, dass ich nicht „anders“ bin, sondern einfach „ich“ bin, und das ist völlig in Ordnung.

Was Mama aber auch sehr geprägt hat, ist die Erkenntnis, dass viele Menschen uns mit einer Mischung aus Mangel an Wissen und Unsicherheit begegnen. Sie sagte immer, dass es nicht unbedingt an bösen Absichten liegt, wenn jemand uns aus dem Weg geht oder nicht weiß, wie er sich verhalten soll – aber es gab Momente, in denen sie sich gefragt hat, warum es so schwer ist, Menschen einfach so zu akzeptieren, wie sie sind. Die Unterstützung von Freunden, Verwandten und Organisationen wie der Lebenshilfe hat uns geholfen, uns als Familie stärker und selbstbewusster zu fühlen. Aber Mama ist der festen Überzeugung, dass es vor allem eine Aufgabe der Gesellschaft ist, mehr Aufklärung zu betreiben und mehr Verständnis für Menschen mit Down-Syndrom zu entwickeln. Sie sagt oft, dass es nicht ausreicht, etwas „auf Papier“ zu haben, wie es bei vielen politischen und gesellschaftlichen Regelungen der Fall ist. Es müsse mehr passieren – in den Köpfen der Menschen und in der Gesellschaft insgesamt.

Die Wünsche, die meine Mama für mich hat, sind klar. Sie möchte, dass ich Freunde finde, dass ich ein Hobby entdecke, das mir Spaß macht, und dass ich eines Tages ein möglichst selbstständiges Leben führen kann. Sie ist fest davon überzeugt, dass der Arbeitsmarkt in Zukunft für Menschen wie mich offen sein muss und dass wir als Gesellschaft erkennen müssen, dass Menschen mit Down-Syndrom genauso wertvoll sind wie jeder andere. Sie träumt von einer Zukunft, in der ich mit Freude und ohne Einschränkungen in der Welt leben kann – einer Zukunft, in der ich die gleichen Chancen bekomme wie jeder andere. Was sie immer wieder sagt, ist: „Du bist genau richtig, so wie du bist.“ Und ich weiß, dass Mama, Papa und der Rest meiner Familie immer an meiner Seite stehen werden und mich dabei unterstützen, möglichst vieles von dem zu erreichen, was ich mir wünsche und vornehme.