Franziska ist ein Energiebündel.
Mit der Unterstützung ihrer Mutter zeigt sie, dass es keine Grenzen gibt, wenn man an sich selbst glaubt.
Mein Name ist Franziska und ich bin 23 Jahre alt. Meine Eltern wussten bei meiner Geburt nicht, dass ich das Down-Syndrom mitbringe. Es war ein Notkaiserschnitt und alles musste ganz schnell gehen. Mama und Papa haben sich bewusst gegen zusätzliche Untersuchungen vor der Geburt entschieden, wie die Messung der Nackenfalte, weil sie sich so sehr auf mich gefreut haben. Ihnen war von Anfang an klar, dass sie ihr Baby bedingungslos lieben würden. Als sie mich das erste Mal in ihren Armen hielten, bemerkten sie sofort, dass ich anders war - ich war schon immer ein Überraschungspaket. Oma und Opa, die sich ein Enkelkind gewünscht hatten, schafften es nicht, mich so zu akzeptieren wie ich bin. Doch Mama und ich entwickelten eine starke Herzensverbindung, die bis heute hält. Wir wurden ein echt tolles Team. Von Mama habe ich gelernt, dass es sehr wichtig ist, auf mich selbst zu hören. Wenn ich gesagt habe, dass etwas nicht passt, dann nahmen meine Eltern das ernst. Zusammen fanden wir Menschen, die wirklich interessiert waren, uns zu helfen. Ich habe ein gutes Gespür dafür, wie es anderen geht und wer es ehrlich mit mir meint.
So kamen wir auch früh mit der Lebenshilfe in Kontakt. Die Frühförderung hat uns sehr geholfen. Ich durfte trommeln und wir haben viel meine Sinne trainiert, so konnte Mama in der Zeit spazieren gehen und wurde dadurch entlastet. Als ich etwas älter war, kamen junge Leute von der Lebenshilfe zu uns und haben tolle Ausflüge mit mir gemacht. Schwierig war es aber manchmal mit den Krankenkassen. Mama musste oft lange um Hilfe kämpfen, um das zu bekommen, was ich brauchte. Als ich 3,5 Jahre alt war, kam ich in den Kindergarten in Scharnebeck, wo ich in einer Integrationsgruppe war, die perfekt zu mir passte. Meine Lieblingserzieherin Kerstin war super ausgebildet und hat für mich vieles möglich gemacht. Sie hat schnell erkannt, dass ich ein großes Potential in mir trage und dies hat sie gefördert. Dabei hat sie Mama immer „mit ins Boot geholt“. Ich erinnere mich, dass es damals nicht leicht war, Freunde zu finden. Mit 6 Jahren wurde ich eingeschult. Leider war es zu dieser Zeit nicht möglich, mich in meinem Wohnort einzuschulen. Wie schön, dass sich dies jetzt geändert hat. Ich konnte aber eine Kooperationsklasse in Lüneburg besuchen, die zur Förderschule gehört. Dort war ich von der ersten bis zur vierten Klasse und wechselte dann auf die Förderschule, die ich bis zur 11. Klasse besuchte. Mein letztes Schuljahr verbrachte ich an der BBS, wo ich verschiedene Berufe kennenlernen und in Praktika ausprobieren konnte.
Als ich 14 Jahre alt war, haben sich meine Eltern getrennt und ich zog mit Mama in eine kleine Wohnung in meiner Lieblingsstadt Lüneburg. Diese Zeit war besonders schön und ich erinnere mich gerne daran, dass wir oft im Kino waren oder wie wir mit dem Tandem durch die Stadt gebraust sind. Meinen Vater kann ich, wann immer ich es möchte, besuchen. In meiner Freizeit habe ich immer viel Sport gemacht und bin zum Team “Bananenflanke” in Lüneburg gekommen, wo ich viele fußballbegeisterte Freunde fand. Gemeinsam haben wir Ausflüge und Freizeiten unternommen. Mit meiner Freundin Jessika besuchte ich viele Jahre eine inklusive Tanzwerkstatt. Unsere Freundschaft ist mir wertvoll. Genauso gerne wie ich Sport treibe, kann ich mich in Bücher vertiefen. Mittlerweile kann ich richtig gut lesen und schreiben. Und im letzten Jahr habe ich meine langen Haare für einen guten Zweck gespendet.
Mit 19 bin ich das erste Mal ausgezogen – in eine offene Wohngruppe. Dann kam Corona und das hat alles verändert. Ich habe mich isoliert gefühlt und das war der Grund, warum ich wieder zu Mama und meinem Stiefvater gezogen bin. Nach einiger Zeit habe ich einen zweiten Versuch gestartet. Eine Wohnmöglichkeit zu finden war nicht einfach - da gab es lange Wartezeiten, viele Absagen und Vertröstungen. Doch dann fand ich bei einer sozialtherapeutischen Gemeinschaft ein neues Zuhause. Dort arbeite ich in der Küche und sorge dafür, dass alle Mitbewohner etwas Leckeres zu essen bekommen. Für die Arbeit erhalte ich ein wenig Gehalt und zusätzlich Grundsicherung.
Der ganze Papierkram, der zu erledigen ist seitdem ich auf der Welt bin, kostet viel Zeit und Kraft. Mama wünscht sich, dass es für junge Eltern mit Kindern wie mir leichter wird, bürokratische Hürden zu bewältigen. Glücklicherweise haben wir bisher keine negativen Erfahrungen mit anderen Menschen gemacht. Mein Stiefpapa und meine Mama haben durch mich gelernt, wichtige Dinge von Unwichtigem zu unterscheiden und mit dem Herzen zu sehen. Ich wünsche mir, dass mehr Firmen Menschen wie mich einstellen. Vieles ist möglich - wie lesen, schreiben und arbeiten – mit Übung und Geduld. Mama meint, wir brauchen mehr alternative Arbeitsmodelle. In anderen Städten gibt es schon inklusive Betriebe. Auch in Lüneburg wünschen wir uns mehr davon. Ich würde sofort anfangen.

