Joachim lebt seit seiner Kindheit in Einrichtungen
der Lebenshilfe. Mit festen Ritualen und einer klaren Struktur gestaltet er sein Leben.

Ich heiße Joachim Kruse, bin 64 Jahre alt und lebe seit meiner Kindheit mit der Lebenshilfe. Schon als Kind war ich ein „Lebenshilfekind“ – mit etwa 5 oder 6 Jahren kam ich hierher. Meine Eltern lebten in Melbeck, aber sie sind schon vor vielen Jahren verstorben. Es war nicht immer einfach, aber die Lebenshilfe hat mir immer geholfen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Ich war ein ganz normaler Junge, der mit seinen Geschwistern in Melbeck aufwuchs. Ich hatte eine glückliche Kindheit, aber schon früh war klar, dass ich besondere Unterstützung brauchen würde. Bei der Lebenshilfe lernte ich dann, was ich konnte und was ich brauchte. Dort machte ich meine Vorschule und die Schule. Ich wusste immer, was ich wollte, und es gab immer Menschen, die mir halfen, das zu erreichen. Früher, als ich noch jünger war, konnte ich mich sehr gut artikulieren und durch Lüneburg gehen, ohne mich zu verlieren. Heute fällt mir das nicht mehr ganz so leicht, aber ich kann immer noch sehr gut sprechen, auch wenn es weniger geworden ist. Damals, als ich noch fitter war, habe ich es geliebt, ins Schallander zu gehen und Fußball zu gucken. Da gab’s immer eine Cola – für nur 2 Mark! Das war die Zeit, die ich mit Freunden und meiner Familie genossen habe.

Als ich 40 war, zog ich in die Wohngruppe am Sandkrug in Lüneburg, das ist am Sande. Dann ging es vor etwa 10 Jahren weiter und ich zog ins Wohnhaus in Embsen. Diese Umzüge sind nicht immer einfach, aber sie gehören zu meinem Leben. Ich brauche meine Rituale, die helfen mir, mich sicher zu fühlen. Ein ganz besonderes Ritual für mich ist, dass ich nach dem Frühstück immer meine Zeitung lese.

Montags gehe ich mit anderen zum Einkaufen, und an den Wochenenden gehe ich regelmäßig in die Gaststätte „Stumpf“ in Embsen. Das mache ich schon seit Jahren, und dort esse ich dann mein „Biene Maja“-Eis. Es gibt mir ein Gefühl von Stabilität und Zufriedenheit. Die Lebenshilfe ist für mich mehr als nur ein Zuhause. Ich habe dort viele Jahre gearbeitet, an verschiedenen Stellen, aber am liebsten habe ich Zündhölzer in der Montage 3 gemacht. Das war meine Aufgabe, und die habe ich gut gemacht. Auch heute noch bin ich in der Lebenshilfe aktiv – mit Sport, Spielen und anderen Beschäftigungen. Aber für mich ist immer das Wichtigste eine Bezugsperson, meist von der Lebenshilfe, zu haben, die mir alles erklärt und mit der ich über alles sprechen kann.

Und dann ist da noch die Musik. Ich bin ein riesiger Musikfan. Es gab einmal einen tollen Plattenladen in der Lüneburger Altstadt. Als der schloss, bekam ich eine große Sammlung von Schallplatten geschenkt. Die höre ich immer noch gerne, und besonders das Durchblättern der Plattencover ist für mich wie eine Reise in die Vergangenheit. Es erinnert mich an die schönen Momente, die ich mit meiner Mutter hatte.

Meine Mutter war ein großer Teil meines Lebens. Auch als sie schon im Pflegeheim war, besuchte ich sie regelmäßig. Heute gehe ich noch immer zu ihrem Grab. Diese Verbindung zu ihr bleibt für mich immer wichtig, auch wenn sie nicht mehr bei mir ist.

Und dann gibt es noch diese lustigen Geschichten. Einmal musste ich wegen meines Auges operiert werden, und der Augenarzt erkannte mich sofort. „Du bist doch Joachim, oder?“, sagte er. „Ich habe damals meinen Zivildienst bei der Lebenshilfe gemacht.“ Es hat mich so zum Lachen gebracht. Es gibt immer wieder solche kleinen Momente, die einen glücklich machen. Ich koche auch gern. Einmal die Woche schäle ich Kartoffeln und mache Bratkartoffeln für die Gruppe. Das ist für mich nicht nur eine Aufgabe, sondern auch ein Stück Verantwortung und Gemeinschaft. Und natürlich trinke ich jeden Tag meinen Kaffee – das gehört zu meinen täglichen Ritualen.

Ich mag mein Leben. Es gibt vieles, was nicht immer einfach ist, aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Mit den richtigen Menschen an meiner Seite, mit den richtigen Ritualen und der Unterstützung der Lebenshilfe, geht es mir gut. Und es gibt immer noch Träume, die ich mir erfüllen möchte. Manchmal wünsche ich mir einfach ein bisschen mehr Abenteuer, vielleicht einen schönen Urlaub mit meinem Kumpel Ralf. Aber was mir wirklich wichtig ist, ist, dass ich mich sicher und geborgen fühle – bei den Menschen, die mich kennen und verstehen.